Rückenschmerzen - mögliche körperliche Ursachen
Jeder zweite Patient beim Orthopäden ist dort wegen Rückenschmerzen. Im Allgemeinen hat der Orthopäde meist Wirbelkörper oder Bandscheiben als Schmerzverursacher im Verdacht und sucht per Röntgen oder MRT nach Bestätigung. Daraufhin wird in den meisten Fällen entweder mit CortisonSpritzen oder OP behandelt.
Bandscheiben
Seit 2007 ist die Zahl der Bandscheiben-Ops um mehr als 40% gestiegen. Bei jedem dritten älteren Menschen finden Ärzte im MRT einen Bandscheibenvorfall, ohne das der Patient Schmerzen hat.
Neue Studien haben gezeigt, dass die Bandscheibe oftmals gar nicht der Schmerzauslöser ist. Die Abnutzung der Bandscheibe ist ein natürlicher Prozess, wie das Ergrauen der Haare. Selbst ein klar sichtbarer Bandscheibenvorfall zieht nicht automatisch Schmerzen nach sich. Hingegen scheinen Mikro-Rupturen in der Rückenfaszie oft als Schmerzerzeuger zu wirken.
Skelett
Durch Haltungsfehler können Rückenschmerzen entstehen – häufig zu sehen an einer Beinlängendifferenz.
Nach meiner Erfahrung ist die Ursache meist eine Verdrehung im Becken. Eine Beckenschaufel kippt nach vorn oder hinten wodurch
* das Iliosacralgelenk (ISG) blockiert,
* eine funktionelle Beinlängendifferenz entsteht (eine anatomische Beinlängendifferenz besteht in den wenigsten Fällen), die
* eine seitliche Beckenkippung / einen Beckenschiefstand zur Folge hat.
Dies versucht der Körper über Seitwärts- und Drehbewegungen der Wirbelsäule auszugleichen, um den Kopf in der Balance zu halten. Eine verdrehte und verschobene Stellung der Wirbelkörper übereinander ist auf körperlicher Ebene betrachtet oftmals der Auslöser für die Skoliose, Blockaden oder eine Reizung des Ischiasnerves.
Daher ist die von Orthopäden so oft verschriebene Schuheinlage / GelKeilkissen zum Ausgleich der funktionellen Beinlängendifferenz meist nicht nützlich - im Gegenteil: sie verstärkt die Beckenkippung.
Eine Blockade des ISG kann nur manualtherapeutisch nachgewiesen werden – im Röntgen ist sie nicht zu sehen.
Behandlung:
Die Beckenverdrehung kann nach meiner Erfahrung in den meisten Fällen korrigiert oder zumindet positiv beeinflusst werden. Damit der Körper die Korrektur annehmen kann, braucht es anschließend eine Behandlung auf muskulärer und faszialer Ebene. Daher hat eine gute Behandlung immer einen multimodal Ansatz als Basis.
Faszien
Nur bei 20% der Patienten sind die Ursachen für die Rückenschmerzen geklärt. Bei den anderen 80% erfolgt die Diagnose „unspezifische Rückenschmerzen“ – also Ursache ungeklärt.
Aktuelle wiss. Forschungen haben Verhärtungen und Verfilzungen in den Faszien als Hauptursache für viele unerklärbare chronische Rückenschmerzen im Verdacht. Mit Röntgen, MRT, Ultraschall oder CT sind Veränderungen am Knochen oder der Bandscheibe bildgebend nachzuweisen, aber nicht beim Bindegewebe. Neu ist ein spezieller Ultraschall, der die Faszien abbilden kann.
Bsp. Statik:
Skoliose, Beckenschiefstand und Beinlängendifferenz haben alle Einfluss auf die Haltung und die Belastung des Rückens. Es kommt zu einer Anpassung und Umstrukturierung der Faszien.
Viele Menschen nehmen im unteren Rücken eine sog. „ÜberhangsHaltung“ ein. Sie ziehen Segmente hinter die Schwerkraftlinie und „hängen in den Seilen“ - den Faszien.
Darauf hin kann die Muskulatur der Streckerkette (Gesäß und Rücken) nicht optimal angesteuert werden und die Beugerkette (Oberschenkel, Bauch, Brustmuskulatur) arbeitet fallverhindernd. Die veränderte Haltung/Statik führt zu einer Umstrukturierung der Faszien und Muskeln:
* Es kommt zu einer Verdickung und Verfilzung der Faszien und einer höheren Schmerzempfindlichkeit.
* Die Verschiebbarkeit und Gleitfähigkeit der Faszien wird eingeschränkt.
* Die Tiefenmuskeln werden verzögert angesteuert.
* Der Beckenboden wird überlastet.
* Der Transversus arbeitet paradox: der Bauch schiebt sich nach außen. Kompensatorisch wird der Kopf nach vorn geschoben.
Je öfter und länger eine Haltung ausgeführt wird, desto „normaler“ wird sie für unser Gehirn. Es entsteht ein „neuraler Haltungs-Print“.
Bsp. Vorbeuge:
In den ersten 20 – 30 Grad der Vorbeuge wird die Muskelspannung erhöht. Bei tieferen Vorbeugen jedoch erhöht sich im Normalfall die Faszienspannung und die Muskelspannung verringert sich. Die Faszien übernehmen den Hauptteil der Bewegung.
Bereits nach 3-minütiger monotoner Beugehaltung (Bsp: Hecke schneiden) tritt der Creeping-Effekt ein, denn Faszien sind ein viskoelastisches Gewebe, welches bei ständiger Belastung langsam „ausleiert“.
Bei Rückenschmerzpatienten übernehmen die Faszien aufgrund ihrer veränderten Struktur nicht mehr und die Muskeln machen die ganze Arbeit. Dies führt durch die Dauerdehnung zu einer Überlastung und evtl. Verletzung auf der Faszienebene. Es kommt häufig zu einer Zerrung der LumbalFaszie.
Das bedeutet für den Alltag: nicht durchackern, sondern sinnvolle Pausen machen, damit sich das viskoelastische Gewebe erholen kann. Im Büro die Sitzhaltung variieren (DynAir-Kissen, Sitzball, Swopper...) und den Arbeitsplatz an den Körper anpassen.
Schmerz tritt am häufigsten dort auf, wo die Faszien auf Zug stehen und die Muskeln auf Spannung. Bei einem Rundrücken oben werden die Nackenfaszien überdehnt und verklebt. Die Nackenmuskeln gehen in Spannung, die Brustmuskeln verkürzen und die BrustmuskelFaszien geraten in Steifigkeit.
Es entsteht durch die hohe Spannung eine schlechte Nährstoffversorgung in der gesamten Region.
Also: Verspannungen lösen, indem die Brustmuskeln und –faszien gedehnt werden, die Nackenmuskeln durchblutet und gekräftigt werden und die Nackenfaszien entlastet werden.
Ein 30-minütiges Schulter-Nacken-Wohlfühlprogramm befindet sich auf meiner DVD „FaszienFitness für einen gesunden Rücken".
Muskulatur
Der Körper reagiert auf Rückenschmerzen: die Tiefenmuskulatur im Bereich Bauch, Taille und unterer Rücken bildet eine Art Korsett und übernimmt die Aufrichtung und Stabilisierung für den Oberkörper. Ist z.B. ein Schmerz im unteren Rücken vorhanden, aktiviert der Körper zusätzlich die Oberflächenmuskulatur, um die schmerzhafte Körperstelle zu schonen und bewegungs- und reizarm zu halten.
Somit übernimmt die Oberflächenmuskulatur in der Dauerspannung die Stützfunktion der Tiefenmuskulatur. Dadurch entsteht im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) und des Iliosacralgelenkes eine erhöhte Spannung, welche einen SpannungsSchmerz erzeugt und somit die Intensität des Schmerzes erhöht.
Über die myofaszialen Ketten unterstützt die Muskulatur der Beinrückseite und des Gesäßes den Körper in seiner schmerzvermeidenden Strategie und erhöht ebenfalls die Spannung: dadurch wird der Piriformis oft schmerz- und druckempfindlich (siehe Trigger Points) und die Muskulatur der Beinrückseite verkürzt.
Dies kann Auswirkungen auf den Bewegungsablauf des Gehens haben und die an das Knie ansetzende Muskulatur soweit beeinflussen, dass die Knie Schmerzsymptome zeigen.
Die Anspannung der Oberflächenmuskulatur im Bereich LWS kann sich nach oben über den Rückenstrecker bis zum Kopf fortsetzen und Nacken- oder Kopfschmerzen verursachen.
Behandlung:
Auf der muskulären Ebene kommen als Behandlungstechniken Massage, Triggerpunkte, Dehnung und Thermik in Frage.
Innere Organe
Zu beachten ist ebenfalls der Zusammenhang zu den inneren Organen. Sie sind über Nervenbahnen und Faszien mit der Wirbelsäule verbunden.
Die Organe sind von Faszien eingehüllt, welches u.a. eine bewegungsangepasste Verschiebung der Organe ermöglichen soll. Ist das Bindegewebe in der Gleitfähigkeit eingeschränkt können sich die Organe nicht mehr ausreichend bewegen und beeinträchtigen den Bewegungsumfang des Rückens.
Bsp.: ist die Leber bewegungseingeschränkt kann sich dies auf die rechte Schulter auswirken.
Sind die inneren Organe in ihrer Funktion beeinträchtigt, wirkt sich die auf den Rücken aus und andersherum: ist der Rücken bewegungseingeschränkt wirkt sich dies auf die nervale Versorgung der inneren Organe aus.
Bsp.: der Darm steht im engen Zusammenhang mit der LWS. Ist der Darm überlastet, kann dies über die Nerven und die Faszien eine Wechselwirkung mit dem unteren Rücken bewirken. Das zeigt sich meist in Rückenschmerzen am frühen Morgen.
Meridiane und Faszien
Ein weiterer Punkt ist die Betrachtung auf energetischer Ebene. Auf dieser wirken die Meridiane als Energieleitbahnen. Sind sie blockiert, in ihrem Fluss gehemmt, hat dies u.a. Einfluss auf die Muskulatur oder die Funktion der inneren Organe. Eine Wiederbelebung des Energieflusses steht im engen Zusammenhang mit den körperlichen Symptomen.
Interessant dabei ist, dass Meridiane und Myofasziale Leitbahnen meist deckungsgleich verlaufen...